COVERSTORY: SCHRIFTDOLMETSCHEN

Lesen Sie einen Auszug des aktuellsten Artikels von Gudrun Amtmann, erschienen im Sprach-R-ohr. Schön, auf der Titelseite von der Schwerhörigenzeitschrift zu sein! Vielen Dank an die Redaktion!

Foto: Martin Lusser

AMTMANN Cover
„Back to school“

Es ist kurz vor 8 Uhr. Die kaum wärmende Morgensonne lässt das große weiße Gebäude in sattem Orange aufflammen und taucht es in freundliches Licht. Die Bäume rundherum leuchten mit der Kraft eines herbstlichen Farbenmeers und heben den Kontrast zu der weitläufigen flachen Schule noch mehr hervor.

Eine Frau mit Rollenkoffer, eine Schriftdolmetscherin, betritt den Schulhof und wird gleich danach von der plötzlichen Dunkelheit des Foyers verschluckt. Der hohe Geräuschpegel von spielenden Kindern umfängt sie, während sie durch die labyrinthischen Gänge zielstrebig zu ihrem Klassenzimmer geht: die 6A*).

Kurz hält sie im Türrahmen inne und scannt die Klasse nach Lydia*) ab. Eine Schülerin zeigt ihr, wo sie sich gerade befindet. Heute ist Klassenstunde. Die Lehrerin lässt die Kinder einen Sesselkreis bilden. Aktuelles betreffend Klassenkasse soll heute besprochen werden.

Für die Schriftdolmetscherin wird zusätzlich ein hölzerner Sessel in die Mitte des Kreises platziert, auf den sie ihren Laptop stellen kann, von dem Lydia die Kommentare ihrer Klassenkameraden und ihrer Lehrerin ablesen kann. Auch diese wirft hin und wieder einen Blick auf den Bildschirm. Sie findet es lustig, dass wirklich alle Kommentare, seien sie auch noch so nebensächlich, erfasst werden. Die Schriftdolmetscherin freut sich, wenn Lydia – zwar verspätet, aber doch – eine lustige verbale Situation miterleben kann, und lacht.

Erstmals in der Geschichte des Schriftdolmetschens in Österreich wird eine Schülerin während einiger Stunden pro Woche durch den Einsatz von Schriftdolmetschern gefördert. Wir haben unser Möglichstes getan, um die sieben Wochenstunden abdecken zu können. Der Schriftdolmetsch-Stundenplan von Lydia wurde so spät festgelegt, dass es fast an Unmöglichkeit grenzte, ihre Stunden noch zwischen all den anderen Terminen unterzubringen. Von Zeit zu Zeit unterstützen die Dolmetscherinnen, die Schülerin sogar im Englisch-Unterricht, was eine ganz neue Herausforderung darstellt, da wir üblicherweise nur auf Deutsch arbeiten.

Weiter zur Uni

Szenenwechsel: Unsere Schriftdolmetscherin erreicht wenige Stunden später das Hauptgebäude der Uni Wien. Der Student, den sie während des Semesters begleitet, sitzt schon auf der Bank in der ersten Reihe im Hörsaal. Er und die Co-Dolmetscherin winken ihr beim Betreten des Saales zu. Die Ringvorlesung wird in wenigen Augenblicken beginnen. Noch ist unklar, ob der Dozent heute ein schneller oder langsamer Redner sein wird.

Die Reihe hinter den Dolmetscherinnen ist voll besetzt. Man kennt sich. Ein paar Worte werden gewechselt, Small Talk wird geführt. „Schön, dass ihr bei mir mitlest“, sagt eine der Dolmetscherinnen zu den Kommilitoninnen von Manuel*).

Die jungen Frauen bestätigen, dass sie oft nicht so schnell mitkommen, insbesondere, wenn es um Eigennamen, Fachausdrücke oder gar Zahlen und Jahreszahlen geht. Während der Vorlesung wird eine von ihnen der Kommunikationsdienstleisterin ein Zettelchen mit der richtigen Schreibweise des im Vortrag erwähnten römischen Literaten zustecken.

Auch Studierende mit Hörbeeinträchtigung werden gefördert und nehmen Schriftdolmetscher immer häufiger in Anspruch. Die Themen sind vielfältig. Sie reichen von Römischer Geschichte über Ernährungswissenschaften, Bewegungspädagogik, Formale Modellierung bis hin zu Jus u.v.m. Eine fundierte Allgemeinbildung und eine gute Vorbereitung sind unerlässlich, um hier einen zufriedenstellenden Job abliefern zu können.

Schüler wie Studierende erhalten von den Schriftdolmetschern die leicht überarbeitete Mitschrift innerhalb weniger Tage oder Stunden übersandt. Denn: Ist es sehr eilig oder steht eine Klausur vor der Tür, wird schon mal eine Nachtschicht für die Klienten eingelegt, damit diese optimal lernen und eine gute Prüfung ablegen können.

Fast immer erhält unser Team reizende E-Mails, nach der Übersendung der Mitschriften. Die Studierenden sparen nicht an lobenden Attributen, Anerkennung und Dankbarkeit.

Vom Vortrag über Flüster- und Schriftdolmetsch zum Auditorium

Ortswechsel: Nach einer längeren Zugfahrt erreicht unsere Dolmetscherin einen Kongress, der schon einige Tage dauert. Sie jedoch ist für nur eine Stunde bestellt. Die Besonderheit hier ist, dass ein Vortrag zunächst auf Deutsch übersetzt werden soll, um dann von ihr verschriftlicht zu werden. Der Sprecher soll nämlich nicht von der Stimme der Simultandolmetscherin überlagert, seine Authentizität gewahrt werden.

Nach der Begrüßung zwischen zwei Vorträgen erfolgt das Kennenlernen mit der Simultandolmetscherin. Es sind nur ein paar Minuten Zeit, um das Setting vorzubereiten. Schnell einigt man sich auf die Arbeitsweise: Die Schriftdolmetscherin bekommt die Übersetzung des Gesagten ins Ohr geflüstert und verschriftlicht es. Fast der gesamte Saal wird dann den doppelt bearbeiteten Vortrag – vom Flüster- zum Schriftdolmetsch – mitlesen. Denn kaum jemand spricht bei uns in Österreich die Vortragssprache.

Eine sinnvolle Kommunikationsdienstleistung für Menschen mit Hörbeeinträchtigung 

Für Menschen mit Hörbeeinträchtigung ist die Komunikationsdienstleistung Schriftdolmetschen sinnvoll und außerordentlich hilfreich im Alltag.

Wenn Sie weiterführende Fragen oder Anfragen zu unserer Dienstleistung haben, informieren wir Sie gerne!

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*) von der Redaktion geändert.