Der Schriftdolmetscher:innen-(Sommer)alltag ist nicht immer konventionell. Als Schriftdolmetscher:innen bleiben wir flexibel und kreativ, wir improvisieren, wo es notwendig ist und setzen Kund:innenwünsche begeistert um. Jederzeit und überall. Das nächste Mal vielleicht sogar auf dem Trolltunga („Zunge des Berggeistes“), einer atemberaubenden Felsklippe im Süden Norwegens. Unsere Kund:innen bemerken nur dann, dass wir uns an einem exotischen oder außergewöhnlichen Ort befinden, wenn wir ihnen Pics schicken.
Summer-Office-Eröffnung im Mai
Traditionell wird das Summer Office jedes Jahr mit den ersten warmen Sonnentagen im Frühjahr eröffnet. Computer, Tastatur, Kopfhörer, Internet & Co werden in den Garten verfrachtet. Der Laptop bekommt seinen persönlichen Sonnenschirm, damit ist er vor der Sonneneinstrahlung und dem Fichtenharz gut geschützt. Mein winterweißer Körper wird in leichte Sommerkleidung gepackt, um nebenbei eine gesunde Hautfarbe zu bekommen. An nieseligen und leicht regnerischen Tagen übersiedeln mein Equipment und ich zurück ins Haus auf die Loggia. So richtig indoor wird selten gearbeitet.
Seit März 2020 wird die Schriftdolmetscharbeit zu einem beträchtlichen Teil online erledigt. Meine Nachbarschaft weiß, dass ab dem Tag der Summer-Office-Eröffnung auch ihr täglicher Begleiter das unaufhörliche Surren der Tastatur sein wird. Sonst hören und sehen sie nichts von der Arbeit.
Frühjahrserwachen mit Noise Cancelling
Viele Bewegungen der Natur lenken meinen Blick immer wieder kurz vom Bildschirm zu den Blaumeisen, die dieses Jahr im Efeudickicht nisten. Die eifrigen Eltern besorgen Futter für ihre Jungen. In der High Season landen sie kurz auf den Holunderästen und warten ungeduldig, bis die Anflugrampe des Vogelhäuschens frei ist. Der laute Flügelschlag der kleinen Vögel überrascht mich jedesmal, wenn ich in Pausen das Headset mit dem besten Noise Cancelling aller Zeiten abnehme. Und schon geht’s weiter: Der Vortragende erklärt gerade via Zoom die technischen Details einer Maschine.
Mit Walnüssen zwischen den Zähnen flitzt ein Eichhörnchen über das gegenüberliegende Hausdach. Katzen liegen auf der Lauer. Zucken mit ihren Schwänzen, während sie ihre Beute, die Amseln, taxieren. Diese picken ihrerseits in der feuchten Erde nach Regenwürmern. Die Äskulapnatter hat sich dieses Jahr noch nicht blicken lassen.
In der warmen Jahreszeit macht die Arbeit noch mehr Freude als sonst. Das Leben erwacht nicht nur im Garten zu neuer Energie. Eine Fröhlichkeit durchzieht den Arbeitsalltag, die sogar online zu spüren ist. Live werde ich per Chatnachrichten über die Wettersituation in den jeweiligen Orten informiert, in denen ich zugeschaltet bin. So dringen selbst an wolkenverhangenen Tagen virtuelle Sonnenstrahlen zu mir. Was für eine Wohltat!
Schriftdolmetscher:innen-Reisen
Zwischendurch verlasse ich das Garden Office und reise immer wieder für Präsenzsettings in die Bundesländer und ins Ausland. Das Verkehrsmittel der Wahl ist der Zug. Während der An- und Abreise werden Online-Kund:innen mit Schriftdolmetschung in gewohnter Qualität versorgt. Dem Zufall wird auch hier nichts überlassen. Die Sitzplätze werden im Vorfeld so gebucht, dass niemand von hinten einen Blick auf den Bildschirm erhaschen kann. Datenschutz und Verschwiegenheit stehen an oberster Stelle. Um dies zu gewährleisten, wird ein Privacy Filter, ein Blickschutzfilter, über den Screen gelegt. Lautlos danke ich immer wieder den neuen Technologien und den Erfindern dieser unverzichtbaren Gadgets.
An Online-Settings haben sich unsere Kund:innen mittlerweile gewöhnt. Die einstige Ausnahme ist zwar nicht zur Regel geworden, jedoch auch keine außergewöhnliche Situation mehr. Das Taschen-Internet ist leistungsstark und mit unlimitiertem Datenvolumen stets einsatzbereit. Let’s type!
Sommer
Urlaubszeit! Dieses Jahr fahre ich mit dem VW-Bus nach Norwegen. Mein Equipment kommt mit, die Temperaturen im Fahrzeug sind für die elektronischen Geräte gut aushaltbar. Kund:innen, die kurzfristig Hilfe benötigen, sollen auch in der Ferienzeit optimal akustisch barrierefrei versorgt werden. Gearbeitet wird überall: im Auto auf Parkplätzen und Autobahnstationen, am Waldrand, in Hotel- und Airbnb-Zimmern. Kund:innenzufriedenheit, ungestört und gemäß der DSGVO arbeiten zu können haben auch im Urlaub höchste Wichtigkeit.
Vor vielen Jahren bei meinem ersten Car-Setting auf einem abgelegenen Feldweg war ich ein wenig nervös. Wird alles klappen? Alles klappte perfekt und nur wenige Wochen später habe ich als Beifahrerin im Auto während einer Autobahnfahrt einen Stammkunden als Schriftdolmetscherin begleitet. Die Erinnerung daran zaubert mir noch heute ein Lächeln ins Gesicht. Der Kunde wurde im Nachhinein über meinen Arbeitsplatz informiert, er war höchst erstaunt, denn er hat nicht bemerkt, dass ich im Special Office unterwegs war. Was mir damals gewagt erschien, wurde schnell zum Alltag.
Herbst
Die Sonne hat den Zenit verlassen. Die Tage werden kühler, der Garten und die Loggia verwaisen zusehends. Mein Equipment und ich ziehen wieder in den Büroräumlichkeiten ein. Der Computersonnenschirm dient abermals über den Winter als Altpapierbehälter. Der Terminkalender füllt sich, die Herbst- und Winterplanung läuft auf Hochtouren.